Die Zukunft des Goldes
10.09.2004 | Walter Hirt
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Der Notenbanken als Helfershelfer der HochfinanzAn dieser Stelle drängt sich ein Blick in die Tiefe der Gold-Märkte auf, damit die über Jahre andauernden manipulativen Eingriffe eingeordnet und schlüssig beurteilt werden können. Steigende Goldpreise freuen die einen, andere werden nervös. Es sind jene, die ihre künftige Produktion vorverkauft haben sowie jene, die spekulativ short sind und bei steigenden Gold-Kursen schnell in Verluste geraten. Tendierten die Kurse gegen das 300$/Unze-Niveau - so war mehrmals zu beobachten - setzten "Aktionen" zur Verunsicherung des Marktes ein. Die Kritik an diesen Manipulationen wurde erst als "Verschwörungstheorie" belächelt und abgelehnt; inzwischen sind so viele gesicherte Facts bekannt und belegt, dass nicht der geringste Zweifel an schwerwiegenden Eingriffen von höchster Warte stehen bleiben. Die "Hochfinanz" existiert, wirkt vernetzt, verdeckt und effizient (siehe später).
Zuerst waren es massiv involvierte US-Finanzhäuser, die gezielte Gerüchte zu streuen versuchten, um den Markt in die Knie zu zwingen; nach dem x-ten Mal wurden sie kaum noch ernst genommen, so dass gröberes Geschütz aufgefahren werden musste. Als dann aus heiterem Himmel die Bank of England erste Goldverkäufe bekannt gab, war der Markt geschockt, zumal angekündigte Notenbank-Goldverkäufe schon jahrelang als wirkungsvolles Damokles-Schwert über dem Goldmarkt geschwungen wurde; entsprechend heftig reagierten die Goldmärkte mit sinkenden Preisen. Als dann - entgegen aller früheren Aussagen und gegen die langjährige Tradition - auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) zu den Goldverkäufern überlief und die Veräußerung von 1.300 Tonnen Gold (!) bekannt gab, war es um den Gold-Markt geschehen. Die Medien hatten ihre trächtigen Schlagzeilen, für die meisten Kommentatoren war das Gold nur noch ein totes Relikt; der angefachte Pessimismus wollte während Wochen nicht mehr weichen.
Das war ein Skandal der absoluten Sonderklasse, der im Ausmaß und in seiner Bedeutung noch keineswegs wirklich durchschaut worden ist - auch in der Schweiz. Nach reiflicher Überlegung, umfangeichen Recherchen und Einbezug von heiklen Hintergrundinformationen reichte ich am 10. Oktober 2002 eine Petition an SNB, Bundesrat und Bundesversammlung ein: "Die Goldverkäufe der SNB sind ab sofort einzustellen!" Den Text finden Sie ungekürzt auf meinen Seiten im Internet (www.walterhirt.ch/gold_snb.html).
Im März 2002 befand sich der Goldmarkt aus fundamentalen und technischen Gründen in einer höchst interessanten Phase: Die Nachfrage nach physischem Gold hatte sich verstärkt, insbesondere die Japaner begannen wieder tüchtig zuzugreifen - ausgerechnet sie, die weit und breit keine Inflation riechen konnten und sich noch immer in einer Deflationsspirale winden mussten. Offenbar war (endlich) ein Aspekt ins sensible Marktgeschehen geraten, der von WIRTSCHAFTaktuell seit Jahren als möglicher Auslöser für eine nächste Gold-Hausse angeführt worden war: Bonitäten im Finanz-System! Der Enron-Skandal und weitere Horrorgeschichten aus der Finanz-Industrie sowie die Bereitschaft der Bank of Japan, in der Not monatlich für 1 Billion und mehr Yen Japan-Bonds aufzukaufen (was die Aktivseite der BoJ schwächt), haben die Japaner zum Sinnieren animiert, auf welche wahren Werte Verlass sein könnte. Im Jahr 2001 betrugen die privaten japanischen Goldkäufe gesamthaft 64 Tonnen; allein in den ersten beiden Monaten 2002 kamen weitere 35 Tonnen dazu, mit steigender Tendenz.
Schließlich haben die Goldgeschichten der Notenbanken ihren Reiz für die Medien und ihre Wirkung auf die Märkte allmählich eingebüsst; die neuen Tricks waren immer wieder die alten leidlich neu verpackt. Als der russische Präsident Wladimir Putin sich veranlasst (wohl auch genötigt) sah, konfuse Geschichten über größere Goldverkäufe aus russischem Besitz in den Westen zu fabulieren, amüsierte sich der Markt mehr als dass er sich von Nervosität hätte anstecken lassen.
Das Gold der Deutschen Bundesbank
Etwas mehr Aufmerksamkeit entfachte Ernst Welteke, Präsident der Deutschen Bundesbank, Ende Februar 2002, als er im Nachrichtenkanal Bloomberg-TV in New York (!) mit einem einzigen Satz zur (wohl gezielten) Verwirrung beitrug: "Ich könnte mir vorstellen, dass wir langsam etwas von unserem Gold verkaufen." Die rasche, heftige Kursreaktion offenbarte, dass der Markt den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hatte. Darüber erstaunt, ruderte die Bundesbank schnell zurück und ließ verbreiten, der Verkauf der Goldreserven sei natürlich nur sehr langfristig geplant. Das ganze Manöver machte einen wenig professionellen Eindruck, weshalb die Märkte den Vorfall recht schnell zu vergessen schienen. Zudem hatte Ernst Welteke nun wirklich nichts gesagt, was nicht schon vorher diskutiert worden wäre; parteiübergreifend legen gierige Politiker der Bundesbank (Buba) und der Regierung schon seit geraumer Zeit nahe, die schwerste lädierte Staatskasse mit Goldverkäufen aufzubessern. Die 3.446 Tonnen Gold der Bundesbank (110,8 Mio. Edelunzen) mit einem Wert von rund 40 Mrd. US$ sind die weltweit zweitgrößten Goldreserven (nur die USA besitzen mehr).
Dann kam der 25. März 2002: In einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" äußerte sich Welteke erneut und in ähnlicher Weise - weshalb eigentlich? War es etwa die Goldkurs-Nähe zum 300er Niveau? Es gab keinen glaubhaften Grund, dieses Thema erneut aufzutischen, es sei denn, der reichlich fade Welteke hätte den ‘Auftrag‘ gefasst, etwas mehr Rumorerei zu veranstalten, um die brodelnden Gold-Phantasien im Zaun zu halten. DIE WELT titelte am 26. März verkürzt: "Welteke will Goldreserven in Aktien wandeln." Ein Schlag gegen die Gold-Freunde und ein Push für den Aktienmarkt? Und an Dummheit kaum zu übertreffen! Auf die Kommentierung dieser 'neuen' Goldgeschichte kann man verzichten; das übliche Geschwätz ist längst abgedroschen, und zudem sind die Buba-Hände gebunden, weil die maximal möglichen Verkäufe anderer Notenbanken bis September 2004 über das "Washingtoner Gold-Abkommen" festgelegt sind.
Hochinteressant ist hingegen die Reaktion des Marktes: Am Tag des Welteke-Geschwätzes in der FAZ lag das meistbeobachtete Londoner Nachmittags-Fixing bei 297,7 U$/Unze, nach einem Tagesanstieg um 4,05 U$. Das war wohl nicht ganz das, was sich die Manipulatoren erhofft hatten. Hinter den Kulissen musste dies viel zu reden gegeben haben, schließlich war die Zeit gekommen, sich neue Ticks zur Manipulation des Goldmarkts einfallen zu lassen. Vielleicht hat der Kursverlauf vom 25. März sogar Geschichte geschrieben. Zum ersten Mal überhaupt reagierte das Gold auf Notenbank-Ankündigungen nicht, wie bisher üblich, negativ - was sich als innere Stärke des Goldmarktes interpretieren lässt.
Trotz der fahrigen Äußerungen des Bundesbank-Präsidenten Welteke ist durchaus gut zu erkennen, dass er keineswegs mit fliegenden Fahnen ins Lager der Goldverkäufer wechselte und eher zurückhaltend argumentierte; vor allem wollte er nicht, dass der Verkaufserlös direkt in die Berliner Bundeskasse fließen würde, sondern nur die Erträge dieser angelegten Erlöse. Hans Eichel, der deutsche Finanzminister in traumatisierender Klemme, der seit Beginn seiner Amtszeit die gravierende Haushaltssituation der Bundesrepublik beschönigt und unablässig klamme Sprüche klopft (und in seiner Verzweiflung auch den Schweizer Finanzplatz böswillig verunglimpft) war ganz anderer Meinung: Eichel wollte höhere Goldverkäufe und das Cash subito in seine Kasse fließen lassen. Es dürfte mehr als ein Gerücht sein, dass Eichel seinen Kontrahenten Welteke deshalb über ein gut gewetztes Messer springen ließ; dazu bot die irre Hotel-Adlon-Affäre gute Gelegenheit. Ob der neue Bundesbank-Präsident williger als Welteke sein wird, bleibt abzuwarten.
Die Buba hat aber noch zwei ganz andere Probleme - wie die meisten anderen Notenbanken auch, die Gold ausgelagert und ausgeliehen haben (siehe Kapitel "Die haarsträubende Goldleihe der Notenbanken"). Und damit wird die 'moderne' Geschichte des deutschen Goldes spannender als ein hochkarätiger Krimi.
Seit Jahren kursierten auch in Deutschland immer wieder Gerüchte, ein grosser Teil des Goldes sei erstens ausgeliehen und möglicherweise gar nicht mehr wiederzubeschaffen und zweitens sei viel Gold außerhalb Deutschlands eingelagert. Der kritische CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann wollte es im August 2002 genau wissen und richtete ein paar 'heisse' Fragen an Frau Dr. Barbara Hendricks, Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium. In ihrem Antwortschreiben vom 22. August 2002 schwieg sie zu einigen wichtigen Fragen und zu anderen gab sie nur oberflächliche oder gar irreführende Antworten: "Vom Gesamtbestand (3.446 Tonnen) wird ein sehr geringer Teil des einstelligen Prozentbereichs im Goldleihegeschäft eingesetzt. Das genaue Volumen kann von der Deutsche Bundesbank aus geschäftspolitischen Gründen nicht veröffentlicht werden." Eine sehr seltsame Begründung!
Der Vergleich älterer und neuerer Bilanzen der Bundesbank offenbart eine Vermengung von "Goldforderungen" und "Goldeigentum", die in keiner Weise identisch sind: Das weckt den Verdacht, diese merkwürdige Bilanzierungsmethode habe genau das zu verbergen, was uns so brennend interessiert: Wie hoch sind die deutschen Ausleihungen und wann sind diese erfolgt, um zu erfahren, ob sie zur jahrelangen Überschwemmung des Markts mit Leihgold und zum damit erzeugten Preisdruck beigetragen haben. Schätzungen konservativer Experten kommen auf 400 bis 700 Tonnen; der seriöse, gut informierte Marktkenner James Turk ist sich sicher, dass die Bundesbank mindestens die Hälfte des Goldschatzes, also rund 1.700 Tonnen auf Wunsch der Amerikaner ausgeliehen hat.
Die Frage nach dem 'Wo' für die Lagerung scheint Frau Hendricks weit mehr in Verlegenheit gebracht zu haben: "Die Deutsche Bundesbank hält einen großen Teil ihrer Goldbestände in eigenen Tresoren im Inland. Sie läßt allerdings auch Goldbestände an wichtigen Goldhandelsplätzen wie z.B. London von den dort ansässigen Zentralbanken, z.B. der Bank of England, verwahren. Dies hat sich historisch und marktbedingt so ergeben, weil die Deutsche Bundesbank das Gold an diesen Handelsplätzen übertragen bekam. Es macht aber auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen Sinn, solange die Lagerung dort kostengünstiger ist als der Transport nach Deutschland und der Bau zusätzlicher Tresoranlagen."
Von dieser Antwort stimmt kaum etwas, und Frau Hendricks weiss, dass sie lügt! Es gibt verlässliche Hinweise, daß der größte Teil der deutschen Goldreserven in den USA liegt - nicht etwa im Fort Knox, wie oft gemunkelt wird, sondern bei der Federal Reserve Bank in New York, der wichtigsten aller Distriktbanken des Federal Reserve System (Fed). Nur einmal sickerte ein Schimmer durch die Geheimniskrämerei der Bundesbank, als David Marsh, der Korrespondent der "Financial Times" in Deutschland, in seinem Buch "Die Bundesbank - Geschäfte mit der Macht" zu den damaligen 3.701 Tonnen Gold (fast 300.000 Barren à 12,5 Kilogramm) auf Seite 82 schrieb: "Unter den führenden Zentralbanken mit Goldbesitz ist die Bundesbank die einzige, die nur einen kleinen Teil ihrer Goldbarren auf eigenem Gelände aufbewahrt. In den Tresorräumen in Frankfurt liegen nur etwa 80 Tonnen, d.h. knapp über 2% des gesamten Goldes. Der Rest ist auf die Tresore anderer Zentralbanken - der Federal Reserve Bank in New York, der Bank of England und zu einem kleineren Teil auch der Banque de France - verteilt."
Das ist allein schon deshalb bedenklich, weil Gold, an dem keine Forderungen an Dritte kleben und deshalb seinen wahren monetären Wert ausspielen kann, nur als Eigentum im direkten Zugriff diesen wahren Wert auch wirklich behält. Wie kommt die Deutsche Bundesbank dazu, den Grossteil ihres Goldes in New York lagern zu lassen? Reichlich viel ist zu dieser Frage schon geschrieben worden, sowohl konkrete Hinweise als auch wilde Phantasien aus dem Reich der "Verschwörungstheorien". David Marsh bleibt verhalten: "Im Interesse guter Beziehungen zur internationalen Finanzwelt werden die großen Mengen von Goldbarren wahrscheinlich bleiben, wo sie sind." Offenbar betrachtet Washington das deutsche God als eine Art Pfand für weiteres 'Wohlverhalten'.
Diese etwas kühn anmutende Feststellung wird indessen durch den berühmt-berüchtigten "Blessing-Brief" gestützt. Karl Blessing, von 1958 bis 1970 Präsident der Bundesbank, sicherte seinem Kollegen beim FED die "Immobilisierung der deutschen Goldreserven" zu. Er versprach in Abstimmung mit der Bundesregierung, daß die Bundesbank die Reserven nicht aus den USA abziehen werde, solange die USA Stützpunkte in Deutschland unterhalten. Zum Hintergrund des "Blessing-Briefs" gehört auch die Haltung des damaligen französischen Präsidenten Charles de Gaulle, der Dollar-Hegemonie offen entgegenzutreten und tonnenweise Gold von New York nach Paris verschiffen zu lassen, begleitet von Kriegsschiffen der Grande Nation und verbalen Attacken aus dem gallischen Reservoir.