Weltwirtschaft 2022: Mehr Inflation. Weniger Wachstum. Auf Gold und Silber setzen
21.01.2022 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Zusammenfassung
Weltweit setzt sich in 2022 die Konjunkturerholung fort, der um sich greifende "anti-marktwirtschaftliche" Zeitgeist trübt allerdings die langfristigen Wachstumsperspektiven ein.
Eine "echte Zinswende" wird es nicht geben, die Realzinsen bleiben vielmehr im negativen Territorium, die Zentralbanken lassen eine dauerhaft erhöhte Preisinflation zu.
Nicht nur die Konsumgüterpreise, sondern vor allem auch die Vermögenspreise (vor allem Aktien- und Häuserpreise) gehen weiter in die Höhe, so dass die Kaufkraft von US-Dollar, Euro & Co auf breiter Front schwindet.
Physisches Gold und Silber bleiben für langfristig orientierte Anleger eine (sehr) attraktive Option in 2022 und darüber hinaus, um der Geldentwertung zu entgehen.
Weltkonjunktur: Erholung setzt sich fort
Die Volkswirtschaften erholen sich nur mühsam aus der politisch diktierten Lockdown-Krise. Die Konjunkturerholung, die in 2021 eingesetzt hat, wird sich jedoch sehr wahrscheinlich in 2022 fortsetzen. Und wie stets mit Blick auf den künftigen Konjunkturverlauf lassen sich Licht und Schatten erkennen. Positiv stimmt, dass die Auftragsbücher vieler Unternehmen voll sind - ein Zeichen, dass Firmen und Konsumenten auf eine "Normalisierung" der Lage drängen -, dass die Bestellungen meist aufgrund von Materialknappheit nicht vollumfänglich ausgeführt werden können. Positiv ist ebenfalls, dass die Kredit- und Kapitalmärkte weiterhin liquide sind, Investoren den Zugang zu Kapital ermöglichen.
Zuversichtlich muss stimmen, dass die voranschreitende Digitalisierung das Potential hat, große Produktivitäts- und Gewinnpotentiale zu heben, neue Märkte zu schaffen. Beispielhaft zu nennen sind der verstärkte Einsatz von Robitik und Künstlicher Intelligenz ("KI") in der Produktion sowie die zunehmende digitale Vernetzung zwischen Produktion und (Online-)Vertrieb. Das ist verbunden mit weitreichenden Veränderungen von bestehenden unternehmerischen Geschäftsmodellen und Anforderungen an Arbeitnehmer. Dieser Prozess hat sich in der Coronakrise beschleunigt, und er trägt auch dazu bei, dass viele Unternehmen ihr operatives Geschäft weiter betreiben können und die Konjunktur gestützt wird.
Allerdings es gibt auch "Gegenwind". Die Effizienz der internationalen Produktions- und Lieferketten ist nach wie vor beeinträchtigt; der "grünpolitisch" herbeigeführte Energiepreisschock, der sich vor allem in Europa zusehends zu einer Energie(- sicherheits-)Krise auswächst, belastet die Unternehmen und Konsumenten. Es ist weiterhin zu befürchten, dass die anhaltende Unsicherheit über den gesellschaftspolitischen Umgang mit der Viruskrise die Risiko- und Investitionsneigung der Unternehmen dämpfen könnte.
Insbesondere aber wächst sich die Güterpreisinflation - sowohl auf der Verbraucherstufe, aber auch in den Vermögensmärkten - immer mehr zu einem ernsten Problem aus, dass sowohl Unternehmen als auch den Haushalten immer stärker zu schaffen macht (davon später mehr).
Hinzu kommen geopolitische Risiken: Dazu zählen derzeit vor allem die Konfrontation zwischen den USA und China, aber auch der Ukraine-Konflikt zwischen Russland und dem Westen. Und - das lehrt die Erfahrung - man muss mit weiteren Überraschungen und Risiken rechnen, die uns im Hier und Heute jedoch (noch) nicht bekannt sind (gemeint die "unbekannten Unbekannten"). Gerade die letzten Jahre haben nur allzu deutlich gezeigt, dass es gerade das Unvorhersehbare sein kann, das die Entwicklung der Weltwirtschaft, der Weltfinanzmärkte stärker beeinflusst, als die Faktoren, die die Überlegungen der Prognostiker üblicherweise in ganz besonderem Maße beschäftigen.
Die Einschätzung der Zukunft, vor allem die künftigen Geschicke ganzer Volkswirtschaften, ist und bleibt eben ein schwieriges, ein mit unüberwindbar großen Unsicherheiten behaftetes Geschäft - und deshalb ist der Investor gut beraten, umsichtig zu sein, Chancen und Risiken sorgsam gegeneinander abzuwägen.
Das jährliche Wachstum der Weltwirtschaft wird sich, so schätzen wir, im laufenden Jahr auf 4,2 Prozent abschwächen - nach noch 5,8 Prozent in 2021 (Abb. 1). China, Großbritannien und die USA erweisen sich als konjunkturelle Zugpferde in der Gruppe der entwickelten Volkswirtschaften, dahinter wird der Euroraum merklich zurückbleiben. Konsum und Investition ziehen an, aber die konjunkturelle Erholung wird vor allem angeführt durch die weiterhin großen Staatsdefizite, mit denen Transfers, aber auch direkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage finanziert wird; und natürlich treiben vor allem auch die nach wie vor sehr niedrigen nominalen Zinsen (die nach Abzug der Güterpreisinflation vielerorts negativ sind) die konjunkturelle Erholung an.
Die Abkehr vom Modell der freien Marktwirtschaft
Die Überschrift für die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Tendenzen müsste derzeit lauten: In der westlichen Welt vollzieht sich seit Jahr und Tag die mehr oder weniger schleichende Abkehr vom Modell der freien Marktwirtschaft. In den einen Volkswirtschaften geht das schneller, in den anderen langsamer, aber alle bewegen sich letztlich in die gleiche "antikapitalistische Richtung". Das zeigt sich in Form des wachsenden Einflusses des Staates im Wirtschafts- und Gesellschaftsleben - und lässt sich messen zum Beispiel anhand der wachsenden Staatsausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), dem steigenden Schuldenstand pro BIP, den anschwellenden Zentralbankbilanzen relativ zum BIP etc.
Dahinter verbirgt sich die Gesinnung, das System der freien Märkte zu "zähmen", es durch staatliche Einflussnahme gestalten und lenken zu wollen. Das erklärt, warum der Staat in nahezu alle Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche vordringt beziehungsweise vordringen konnte: Bildung (Kindergarten, Schule, Universität), Altersvorsorge, Gesundheit, Umwelt, Transport, Geld und Kredit, Recht und Sicherheit.
Weltweit setzt sich in 2022 die Konjunkturerholung fort, der um sich greifende "anti-marktwirtschaftliche" Zeitgeist trübt allerdings die langfristigen Wachstumsperspektiven ein.
Eine "echte Zinswende" wird es nicht geben, die Realzinsen bleiben vielmehr im negativen Territorium, die Zentralbanken lassen eine dauerhaft erhöhte Preisinflation zu.
Nicht nur die Konsumgüterpreise, sondern vor allem auch die Vermögenspreise (vor allem Aktien- und Häuserpreise) gehen weiter in die Höhe, so dass die Kaufkraft von US-Dollar, Euro & Co auf breiter Front schwindet.
Physisches Gold und Silber bleiben für langfristig orientierte Anleger eine (sehr) attraktive Option in 2022 und darüber hinaus, um der Geldentwertung zu entgehen.
Quelle: Refinitiv; Berechnungen und Einschätzungen Degussa. Zahlen sind gerundet.
(1) Renditepotential in Prozent, errechnet auf Basis der aktuellen Marktpreise. Stand: 20. Januar 2022.
(1) Renditepotential in Prozent, errechnet auf Basis der aktuellen Marktpreise. Stand: 20. Januar 2022.
Weltkonjunktur: Erholung setzt sich fort
Die Volkswirtschaften erholen sich nur mühsam aus der politisch diktierten Lockdown-Krise. Die Konjunkturerholung, die in 2021 eingesetzt hat, wird sich jedoch sehr wahrscheinlich in 2022 fortsetzen. Und wie stets mit Blick auf den künftigen Konjunkturverlauf lassen sich Licht und Schatten erkennen. Positiv stimmt, dass die Auftragsbücher vieler Unternehmen voll sind - ein Zeichen, dass Firmen und Konsumenten auf eine "Normalisierung" der Lage drängen -, dass die Bestellungen meist aufgrund von Materialknappheit nicht vollumfänglich ausgeführt werden können. Positiv ist ebenfalls, dass die Kredit- und Kapitalmärkte weiterhin liquide sind, Investoren den Zugang zu Kapital ermöglichen.
Zuversichtlich muss stimmen, dass die voranschreitende Digitalisierung das Potential hat, große Produktivitäts- und Gewinnpotentiale zu heben, neue Märkte zu schaffen. Beispielhaft zu nennen sind der verstärkte Einsatz von Robitik und Künstlicher Intelligenz ("KI") in der Produktion sowie die zunehmende digitale Vernetzung zwischen Produktion und (Online-)Vertrieb. Das ist verbunden mit weitreichenden Veränderungen von bestehenden unternehmerischen Geschäftsmodellen und Anforderungen an Arbeitnehmer. Dieser Prozess hat sich in der Coronakrise beschleunigt, und er trägt auch dazu bei, dass viele Unternehmen ihr operatives Geschäft weiter betreiben können und die Konjunktur gestützt wird.
Allerdings es gibt auch "Gegenwind". Die Effizienz der internationalen Produktions- und Lieferketten ist nach wie vor beeinträchtigt; der "grünpolitisch" herbeigeführte Energiepreisschock, der sich vor allem in Europa zusehends zu einer Energie(- sicherheits-)Krise auswächst, belastet die Unternehmen und Konsumenten. Es ist weiterhin zu befürchten, dass die anhaltende Unsicherheit über den gesellschaftspolitischen Umgang mit der Viruskrise die Risiko- und Investitionsneigung der Unternehmen dämpfen könnte.
Insbesondere aber wächst sich die Güterpreisinflation - sowohl auf der Verbraucherstufe, aber auch in den Vermögensmärkten - immer mehr zu einem ernsten Problem aus, dass sowohl Unternehmen als auch den Haushalten immer stärker zu schaffen macht (davon später mehr).
Hinzu kommen geopolitische Risiken: Dazu zählen derzeit vor allem die Konfrontation zwischen den USA und China, aber auch der Ukraine-Konflikt zwischen Russland und dem Westen. Und - das lehrt die Erfahrung - man muss mit weiteren Überraschungen und Risiken rechnen, die uns im Hier und Heute jedoch (noch) nicht bekannt sind (gemeint die "unbekannten Unbekannten"). Gerade die letzten Jahre haben nur allzu deutlich gezeigt, dass es gerade das Unvorhersehbare sein kann, das die Entwicklung der Weltwirtschaft, der Weltfinanzmärkte stärker beeinflusst, als die Faktoren, die die Überlegungen der Prognostiker üblicherweise in ganz besonderem Maße beschäftigen.
Quelle: Refinitiv, IWF, Schätzungen Degussa.
Die Einschätzung der Zukunft, vor allem die künftigen Geschicke ganzer Volkswirtschaften, ist und bleibt eben ein schwieriges, ein mit unüberwindbar großen Unsicherheiten behaftetes Geschäft - und deshalb ist der Investor gut beraten, umsichtig zu sein, Chancen und Risiken sorgsam gegeneinander abzuwägen.
Das jährliche Wachstum der Weltwirtschaft wird sich, so schätzen wir, im laufenden Jahr auf 4,2 Prozent abschwächen - nach noch 5,8 Prozent in 2021 (Abb. 1). China, Großbritannien und die USA erweisen sich als konjunkturelle Zugpferde in der Gruppe der entwickelten Volkswirtschaften, dahinter wird der Euroraum merklich zurückbleiben. Konsum und Investition ziehen an, aber die konjunkturelle Erholung wird vor allem angeführt durch die weiterhin großen Staatsdefizite, mit denen Transfers, aber auch direkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage finanziert wird; und natürlich treiben vor allem auch die nach wie vor sehr niedrigen nominalen Zinsen (die nach Abzug der Güterpreisinflation vielerorts negativ sind) die konjunkturelle Erholung an.
Die Abkehr vom Modell der freien Marktwirtschaft
Die Überschrift für die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Tendenzen müsste derzeit lauten: In der westlichen Welt vollzieht sich seit Jahr und Tag die mehr oder weniger schleichende Abkehr vom Modell der freien Marktwirtschaft. In den einen Volkswirtschaften geht das schneller, in den anderen langsamer, aber alle bewegen sich letztlich in die gleiche "antikapitalistische Richtung". Das zeigt sich in Form des wachsenden Einflusses des Staates im Wirtschafts- und Gesellschaftsleben - und lässt sich messen zum Beispiel anhand der wachsenden Staatsausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), dem steigenden Schuldenstand pro BIP, den anschwellenden Zentralbankbilanzen relativ zum BIP etc.
Dahinter verbirgt sich die Gesinnung, das System der freien Märkte zu "zähmen", es durch staatliche Einflussnahme gestalten und lenken zu wollen. Das erklärt, warum der Staat in nahezu alle Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche vordringt beziehungsweise vordringen konnte: Bildung (Kindergarten, Schule, Universität), Altersvorsorge, Gesundheit, Umwelt, Transport, Geld und Kredit, Recht und Sicherheit.