Ausblick 2023: Wachstum lässt nach. Geldwertschwund geht weiter. Setzen Sie auf Gold und Silber.
20.01.2023 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
"Vermauert ist dem Sterblichen die Zukunft." - Friedrich von Schiller (1759-1805)
Kapitel 1
Viele Faktoren deuten auf einen Abschwung der Weltkonjunktur in 2023 hin, auf Eintrübung des Wachstums in den kommenden Jahren. Es gibt zwar Aufwärtspotentiale, die - werden sie gehoben - das Zukunftsbild erheblich verbessern könnten; doch die zunehmende ‚antikapitalistische Mentalität‘ in Politik und Gesellschaft steht dem leider entgegen.
In fast jeder Marktlage gibt es Chancen und Risiken. Allerdings ist bei vielen Menschen - gerade auch bei vielen Kapitalanlegern - die Neigung groß, die eigene Zukunftseinschätzung - und unterliegt sie auch noch so großer Unsicherheit - durch die gerade vorherrschenden wirtschaftlichen und (geo-)politischen Geschehnisse entscheidend prägen zu lassen;¹ das ist nur allzu menschlich. Und folglich ist die Gefahr groß, dass - je nachdem ob gegenwärtig Optimismus oder Pessimismus beim Sparer und Investor vorherrscht - die Zukunft zu rosig beziehungsweise zu dunkel gesehen wird.
Dass viele Investoren mit Blick auf das neue Jahr erhebliche Risiken bei der Geldanlage sehen, ist nicht überraschend. Denn in der Tat gibt es derzeit eine Reihe von Faktoren, die schwarze Wolken am Konjunkturhimmel heraufbeschwören. Zu nennen ist beispielsweise die drastische Verteuerung der Energiepreise, für die die "grüne" Politik, die Sanktionen gegenüber Russland und die inflationäre Geldpolitik der Zentralbanken sorgen. Die Hochinflation setzt die Kaufkraft der Bevölkerung dauerhaft herab, reduziert ihre Konsum- und Sparmöglichkeiten, erschwert es vielen Firmen, ihre Geschäfte erfolgreich fortzuführen.
Zudem greift die "antikapitalistische Mentalität" in der westlichen Welt immer weiter um sich. Sie befördert das Eingreifen des Staates in nahezu alle Bereiche des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens. Ein Prozess, der zwar schon seit Jahrzehnten im Gange ist, der nun aber gewaltig an Fahrt gewonnen hat - wie die "Klimapolitik" und "Lockdowns", nicht zuletzt auch die immer ungehemmtere schuldenfinanzierte Staatstätigkeit unmissverständlich zeigen. Die mit ihnen verbundenen "Interventionsspiralen" schwächen die verbliebenen Kräfte des freien Marktsystems, setzen die Wachstumskräfte der Wirtschaft herab.
Die antikapitalistische Mentalität befördert auch Vorbehalte gegen die internationale Arbeitsteilung, die häufig mit den Begriffen "Deglobalisierung" und "On-Shoring" zum Ausdruck gebracht werden. Sie "verteuert" dadurch jedoch die Produktionskosten, beziehungsweise sie kann bestehende Produktions- und Arbeitsverhältnisse unrentabel werden lassen.
Die Folge ist ein Rückbau der erreichten Arbeitsteilung. Das wiederum führt zu einer Verschlechterung der materiellen Güterausstattung der Menschen. Nicht zuletzt ist die Deglobalisierung auch ein Nährboden für Konflikte: Zunehmende Arbeitsteilung befördert schließlich die friedvolle und produktive Kooperation, national wie international, ihre Einschränkung bewirkt das Gegenteil.
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Ukraine-Krieg andauern wird, ist groß. Und es nicht minder wahrscheinlich, dass er eskaliert, die großen Staaten noch stärker gegeneinander aufbringt, die Welt nachhaltig spaltet. Zudem erweisen sich Kriege als ein Wachstumselixier für Staaten, das bürgerliche und unternehmerische Freiheiten schleift, die Investitionstätigkeit belastet und den Freihandel einschränkt. Auch auf diese Weise leidet die internationale Arbeitsteilung und wirkt ebenfalls negativ auf Wachstum und Beschäftigung.
Da die genannten Erschwernisse im wahrsten Sinne des Wortes menschengemacht sind, können die Dinge natürlich auch eine günstigere Wendung nehmen. Eine Klimapolitik etwa, die stärker auf technischen Fortschritt und Innovationskraft und freie Märkte und weniger auf Staatseingriffe setzt, könnte gewaltige wirtschaftliche Auftriebskräfte entfalten. Ein maßvoller(er) Ausstieg aus fossilen Energieträgern würde die Kostenbelastungen für Haushalte und Firmen erheblich senken, den existierenden Kapitalstock vor Wertminderungen bewahren, neue Wachstumsimpulse setzen. Und eine baldige Friedenslösung im Ukraine-Krieg würde die Bedingungen für Wirtschaft und Handel immens verbessern.
Nach Abwägung der Risiken und Chancen ist unser konjunkturelles Basisszenario für die Jahre 2023 und 2024 in Abb. 1 illustriert. Danach schwächt sich die Weltwirtschaft in diesem und kommenden Jahr ab. In einigen Regionen ist mit Rezession zu rechnen, die aber vergleichsweise leicht ausfällt, denn die weiterhin hohen staatlichen Defizitprogramme werden die Wirtschaftsabschwächung weitestgehend auffangen. Dabei gehen wir davon aus, dass die Zentralbanken in vielen Regionen der Welt die Leitzinsen nicht mehr viel weiter anheben werden, und dass die Kreditkosten spätestens ab Mitte des Jahres wieder abgesenkt werden. Dazu jetzt mehr im zweiten Kapitel.
Kapitel 2
Die Zinspolitik der Zentralbanken ist ein ganz entscheidender Faktor für die Wirtschafts- und Finanzmarktentwicklung in 2023. Soll nicht eine neuerliche Krise losgetreten werden, dürfen die Zinsen nicht mehr viel weiter steigen - vielmehr müssen sie recht bald wieder gesenkt werden.
Eine der wichtigsten ökonomischen Parameter für die Entwicklung der Konjunkturen und der Finanzmärkte ist der Zins. Die Langfristzinsen sind seit den frühen 1980er Jahren in vielen Ländern trendmäßig gefallen. Beispielsweise sind die US-Zinsen im Zeitablauf auf immer tiefere Niveaus abgesunken (Abb. 1). Für diese Entwicklung gibt es eine Reihe von Erklärungen. An dieser Stelle sei eine davon hervorgehoben: die Geldpolitik. Im heutigen Fiatgeldsystem vermehren die Zentralbanken, in enger Kooperation mit den Geschäftsbanken, die Geldmenge durch Kreditvergabe. Das führt anfänglich zu einem Aufschwung ("Boom"), der früher oder später jedoch in einen Abschwung ("Bust") mündet.
Der Bust bringt Firmenpleiten und Arbeitslosigkeit, und deshalb versucht die Zentralbank ihn abzuwenden. Und zwar indem sie die Zinsen absenkt, die Kredit- und Geldmengen weiter ausdehnt. In der Regel wirkt die "monetäre Injektion", und aus dem Bust entsteht ein neuerlicher Boom. Daraufhin hebt die Zentralbank den Zins wieder an, aber sie führt ihn nicht mehr auf das Vorkrisenniveau zurück. Der Grund: Die Verschuldung steigt im Fiatgeldsystem immer weiter an, weil die Kreditverbindlichkeiten schneller steigen, als die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften zunimmt. Das ist eine Erklärung, warum die Langfristzinsen über den Konjunkturzyklus immer weiter abgesunken sind.
Mittlerweile ist jedoch der Abwärtstrend der Zinsen gebrochen - wie Abb. 8 zu entnehmen ist. Diese Entwicklung, dauert sie an, bringt nun aber das Fiatgeldsystem in arge Probleme. Denn es lebt davon, dass die Kredit- und Geldmengen immer weiter ansteigen, dass also neue Kredite aufgenommen und fällig werdende Kredite durch Kredite, die einen niedrigeren Zins tragen, ersetzt werden. Steigt plötzlich der Zins stark an, nachdem er lange Zeit niedrig war, geraten Schuldner in die Bredoullie. Nicht nur die Kreditkosten klettern in die Höhe und bremsen die Kreditnachfrage, verringern die Geldmengenvermehrung.
Vielmehr wird auch die gesamte Wirtschaft, die Struktur der Güterpreise sprichwörtlich grundlegend erschüttert.
Investitionen, die bislang als rentabel angesehen wurden, rechnen sich plötzlich nicht mehr. Firmen müssen Investitionsprojekte beenden und liquidieren. Arbeitsplätze gehen verloren. Schuldner geraten in Probleme, ihren Schuldendienst zu leisten. Die Beleihungswerte von Krediten (man denke hier an Häuser- und Grundstückspreise) geben nach. Es kommt zu Kreditausfällen. Die Banken werden daraufhin vorsichtiger bei der Darlehensgewährung.