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Die Weltwirtschaft in 2018: Der Ikarus-Aufschwung geht weiter

22.01.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Box 1: Gesunde Skepsis gegenüber Prognosen

Zu Beginn eines jeden Jahres machen sich viele Investoren daran, Prognosen einzuholen. Sie wollen wissen: Wie entwickeln sich die Märkte, die Aktienkurse, Zinsen, Wechselkurse und Rohstoffpreise in den kommenden 12 Monaten? Prognosen sind für viele die Grundlage ihrer Anlageentscheidungen. Dabei wird jedoch nicht selten ein Problem übersehen: Konjunktur- und Marktpreisprognosen sind nicht verlässlich, wie man es aus der Naturwissenschaft gewohnt ist, und sie können es auch gar nicht sein - so überzeugend die prognostizierenden Analysten und Volkswirte auch daherkommen mögen.

Der Grund dafür ist nicht schwer zu erkennen: Im Bereich des menschlichen Handelns - und um nichts anderes geht es im Bereich des Wirtschaftens - gibt es keine konstanten Verhaltensparameter: Man kann nicht sagen, dass Menschen auf eine bestimmte Entwicklung immer und überall in der gleichen Weise reagieren.

Eine Geldmengenausweitung kann zum Beispiel zu einer erhöhten Kassenhaltung führen, die die Güterpreise unberührt lässt. In einem anderen Fall wird das neue Geld ausgegeben, und die Güterpreise steigen. Selbst wenn man schon heute weiß, was die Zentralbank künftig tun wird, so lässt sich daraus noch nicht verlässlich ableiten, wie die Marktakteure darauf reagieren werden, wie sich zum Beispiel die Aktienkurse und Edelmetallpreise verändern werden. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Selbst wenn man eine vage Vorstellung davon hat, wie die Märkte auf, sagen wir, eine Zinsanhebung reagieren, so muss man für eine verlässliche Prognose auch wissen, welche sonstigen Faktoren - nennen wir sie "besondere Umstände" - hinzutreten.

Hebt die Zentralbank die Zinsen an, spricht das zwar für fallende Aktien- und Häuserpreise. Wenn aber gleichzeitig die Wirtschaft stark anzieht, könnte der Zinsanstieg zu gering sein, und die Aktien- und Häuserpreise steigen trotz erhöhter Kreditkosten. Kurzum: Marktpreisprognosen lassen sich - anders als die Ursache-Wirkungs-Beziehungen in den Naturwissenschaften - nicht verlässlich erstellen.

Was heißt das für den umsichtigen Anleger? Er sollte mit Prognosen kritisch umgehen und kann dazu wie folgt vorgehen. (1) Langfristig denken und handeln: Prognosen über die kommenden 12 Monate sind in der Regel recht fehleranfällig. Häufig ist es einfacher, langfristige Trendverläufe einzuschätzen als kurzfristige Schwankungen. (Beispielsweise ist in marktwirtschaftlichen Systemen die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Wirtschaft in den kommenden fünf Jahren wächst, als dass sie schrumpft). Man trifft Anlageentscheidungen daher besser langfristig (für, sagen wir, drei, fünf oder mehr Jahre) als kurzfristig (also für die kommenden 12 Monate).

(2) Der Anleger sollte seine Aufmerksamkeit auf die Wertbestimmung konzentrieren: auf die Beantwortung der Frage, wie der Wert der Vermögenspositionen einzuschätzen ist - egal ob es um Aktien, Schuldpapiere, Häuser oder Edelmetalle geht. Denn nur dann, wenn man den Wert hinreichend verlässlich abschätzen kann, lassen sich sinnvolle Investitionsentscheidungen treffen. Kauft man zu teuer (bezahlt man beispielsweise für eine Unternehmensaktie oder einen Goldbarren einen Preis, der über dem Wert liegt), wird die Investition zum Misserfolg. Egal wie gut und attraktiv das Unternehmen oder das Edelmetall auch sein mag.


Im Folgenden soll ein Blick auf ausgewählte volkswirtschaftliche Entwicklungen geworfen werden. Dazu zählen (1) die US-Steuerreform, (2) die allgemeine Inflationsentwicklung, (3) die Zins- und Geldpolitiken und (4) die Risikoprämien auf den Finanzmärkten. Nach dieser Übersicht werden unsere Einschätzungen für die Entwicklung der Edelmetallpreise dargelegt.

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Quelle: Thomson Financial, CPB. (1) Serien sind indexiert (Januar 2000 = 100)


Box 2: Folgen der Digitalisierung

Das Wort "Digitalisierung" steht für die zunehmende Nutzung von digitalen Prozessen und sie betrifft nahezu alle Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche: Produktion, Vermarktung, Kommunikation etc. Es handelt sich dabei im Grunde um eine technologische Innovation, die bestehende Vorgehensweisen und Märkte durch neue Prozesse und neue Angebots- und Nachfragekonstellationen ergänzt oder auch ersetzt. Volkswirtschaftlich wäre zu erwarten, dass sich die Digitalisierung mittel- bis langfristig in Produktivitätssteigerungen niederschlägt: dass mit gegebenem Arbeitseinsatz ein höherer Output erzielt wird.

Ein Produktivitätsschub ließe erwarten, dass der Auftrieb der Güterpreisen gebremst wird. Blickt man auf die Verhältnisse in den USA, so zeigt sich bislang allerdings ein langfristig fallender Trend bei der Zunahme der Arbeitsproduktivität (gemessen als Output im Verhältnis zur Arbeitsleistung). Dafür mag es eine Reihe von Gründen geben (wie zum Beispiel produktivitätshemmende staatliche Markteingriffe etc.). Festzuhalten an dieser Stelle ist jedoch, dass die Digitalisierung bislang (noch) nicht sichtbar als Produktivitätsverstärker in Erscheinung getreten ist. Der Preisauftrieb, der mit dem Fortgang des Konjunkturaufschwungs verbunden sein dürfte, könnte daher höher ausfallen, als es derzeit erwartet wird.


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Quelle: Federal Reserve Bank of St. Louis. Gestrichelte Linie: linearer Trend


US-Steuerreform

Will man den künftigen (Welt-)Konjunkturverlauf abschätzen, verdient die US-Steuerreform besondere Aufmerksamkeit. Denn sie hat nicht nur unmittelbare Bedeutung für die US-Wirtschaft, sondern - weil nun einmal Kapital international mobil ist - auch für den Rest der Welt.



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