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Die Weltwirtschaft in 2018: Der Ikarus-Aufschwung geht weiter

22.01.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Die Kurzfristzinsen liegen nach Abzug der Konsumentenpreisinflation in den großen Währungsräumen nach wie vor im negativen Bereich (Abb. 9 (a)). Das heißt, wer sein Geld kurzfristig anlegt, macht Verluste. Die reale Rendite für 2-jährige Papiere lag im Durchschnitt seit Anfang 2008 bei minus 0,9 Prozent, im Euroraum bei mehr als minus 0,8 Prozent. Gleichzeitig haben die Zentralbanken dadurch für ein Anwachsen der "Überschussliquidität" gesorgt: Sie weiten die Geldmengen stärker aus, als die Produktionsleistungen der Volkswirtschaften zunehmen (Abb. 9 (b)).

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Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen. (1) Nominalzins abzüglich Konsumentenpreisinflation. Beige Fläche: Realzins ist negativ. (2) Breit definierte Geldmenge im Verhältnis zu Bruttoinlandsprodukt (BIP).


Box 5: Die "Blase" sitzt im Bondmarkt

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Quelle: Thomson Financial. (1) Graue Fläche: Langfristzins gleich oder geringer als Kurzfristzins. (2) Ermittelt als 1 dividiert durch die Rendite.


Die Zinsmärkte in den Vereinigten Staaten von Amerika spielen - aufgrund des internationalen Zinsverbundes - eine ganz besonders wichtige Rolle für die Entwicklung der weltweiten Kreditkosten. Seit Beginn der 1980er Jahre hat die US-Zentralbank den Leitzins im Trendverlauf immer weiter abgesenkt, und die Langfristzinsen sind dem Leitzins richtungsmäßig gefolgt. Der Zinssenkungstrend hatte mehrere Gründe. Vor allem aber einen: Der Zins muss fallen, damit die Schuldenwirtschaft fortgeführt werden kann. Und wenn der (Leit-)Zins erst einmal gesenkt wurde, lässt er sich nicht mehr auf das Vor-Krisenniveau zurückbringen, ohne die Konjunktur und Finanzmärkte zu erschüttern.

Durch die Politik des Zinssenkens ist es mittlerweile auf den Anleihemärkten zu abenteuerlichen Bewertungen gekommen: Das KGV für 10-jährige US-Staatsanleihen beträgt mehr als 40, für die im Euroraum gar mehr als 100. Der Verdacht liegt nahe: Eine "Blase" hat sich im Bondmarkt gebildet. Im Zuge derart niedriger Zinsen haben natürlich auch die Bewertungen aller anderen (Finanzmarkt-)Preise zugelegt. Käme es zu einem Ansteigen der Zinsen, oder würde gar der generelle Abwärtstrend der (Lang-)Fristzinsen gebrochen, wäre mit schweren Verwerfungen in den Volkswirtschaften zu rechnen. Weil die politischen Empfindlichkeiten heute nun einmal so sind, wie sie sind, steht zu vermuten, dass die Geldpolitiker im Notfall den steigenden Zinsen rasch ein Ende bereiten und Zinssenkungen einleiten würden.


Was werden die Zentralbanken in den kommenden Monaten machen? Die US-amerikanische Zentralbank (Fed) wird mit ihren Zinsanhebungen vermutlich fortfahren. Langsam aber sicher. Bis Ende 2018 könnte der Leitzins damit bei etwa 2 Prozent liegen. Damit wäre der Kurzfristzins aber immer noch relativ niedrig in nominaler Rechnung; bei einer Konsumentenpreisinflation von etwa 2 Prozent bliebe der reale (inflationsbereinigte) Kurzfristzins nahe der Nulllinie.

Die Europäische Zentralbank (EZB) will die Zinsen auf Rekordtiefständen belassen, auch wenn das Anleihekaufprogramm Ende September 2018 ausläuft. Der offizielle Grund, die Zinsen lange niedrig zu halten, sind die hauseigenen Inflationsprojektionen, die besagen, dass die Inflation der Konsumentenpreise bis 2020 unter der 2-Prozentmarke verharren wird. Der wirkliche Grund dürfte jedoch sein, finanziell überdehnte Staaten und Euro-Banken so lange wie möglich mit niedrigen Zinsen subventionieren zu wollen (siehe hierzu Box 6).


Box 6: Zusammenhang zwischen Schuldenquote und Zins

Bitte nicht erschrecken, lieber Leser: Nachstehend finden Sie eine Formel, aber eine sehr einfache, wie Sie gleich sehen werden. Sie zeigt die Staatsschuldenquote (also Schulden dividiert durch das Bruttoinlandsprodukt (BIP)), sq, die sich wie folgt erklärt:

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wobei pd = Primärdefizitquote (also Staatsausgaben minus Staatseinnahmen ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen, und dieser Betrag wird geteilt durch das BIP), i = Zins, g = Wirtschaftswachstum des BIP, und t steht für das betreffende Jahr. Man erkennt: Wenn der Zins höher ist als das Wachstum (also gilt i > g), dann steigt die Schuldenquote im Zeitablauf an (soweit alle anderen Größen unverändert bleiben). Genau dieser Effekt wurde von den Geldpolitiken in den letzten Jahren "bekämpft": Sie haben den Nominalzins unter die Wachstumsrate der Volkswirtschaften gedrückt (es gilt derzeit als i < g), und dadurch wurde der Anstieg der Schuldenquote gebremst (meist jedoch nicht reduziert, weil neue Defizite gemacht wurden).

Würde der Zins steigen, so würde der Spardruck auf die Haushalte zunehmen. Politisch ist das nicht gewünscht. Ohne Einsparungen würde die Schuldenquote aber wieder (rasch) ansteigen. Damit wird ersichtlich: In den schuldengetriebenen Volkswirtschaften gibt es einen großen politischen Anreiz, die Zinsen möglichst niedrig zu halten - vor allem dann, wenn das Wirtschaftswachstum tendenziell niedrig ist.


In Japan gibt es nach wie vor keine politischen Anzeichen, dass sich die Bank von Japan von ihrer Null- beziehungsweise Negativzinspolitik abkehren könnte (der japanische Leitzins liegt seit Februar 2016 bei minus 0,1 Prozent). Die Peoples Bank of China dürfte ebenfalls keine Eile haben, ihren Leitzins (er liegt seit Oktober 2015 bei 4,35 Prozent) anzuheben. Vor allem die Unsicherheit über die Zukunft der Handels- und Kapitalbeziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika könnte den zinspolitischen Spielraum der Chinesen begrenzen. Eine abwartende Haltung ist für China vermutlich die bevorzugte geldpolitische Lösung in diesem Jahr.



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