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Die Weltwirtschaft in 2018: Der Ikarus-Aufschwung geht weiter

22.01.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 6 -
Risikoprämien

Nicht nur die Zinsen sind nach wie vor (in historischer Betrachtung) extrem niedrig. Vor allem auch die Risikosorgen auf den Finanzmärkten befinden sich auf Rekordtiefständen. Die Investoren haben offensichtlich nicht nur sehr positive Konjunkturaussichten, sondern sie sind auch sehr zuversichtlich, dass die Zentralbanken die Konjunkturen noch lange in Gang halten, dass sie eine neuerliche Kreditkrise erfolgreich abwenden werden. Die Sorgen vor Zahlungsausfall- beziehungsweise Kreditproblemen scheinen so gut wie vertrieben zu sein - wie die niedrigen Werte der Finanzmarkt-Stressindikatoren zeigen (Abb. 11 (a)).

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Quelle: Thomson Financial. (1) Steigt (fällt) die Linie, steigt (fällt) der "Stress" im Finanzmarkt. (2) Aus Optionspreisen ermittelt.


Die niedrigen Zinsen, für die die Zentralbanken sorgen, machen es Kreditnehmern möglich, sich neue Kredite zu niedrigen Konditionen zu beschaffen. Gleichzeitig wird der "Risikopuffer" für Kreditgeber dünn: Fallen Kredite aus, reichen die Zinserträge nicht, um die entstehenden Verluste zu decken. Im Falle von Zahlungsausfällen wird dann das Eigenkapital der Gläubiger - wenn keine ausreichende Besicherung vorliegt -in Mitleidenschaft gezogen. Auffällig ist weiterhin die sehr geringe erwartete Schwankung der Aktienkurse (gemessen anhand der Volatilität): Sie befindet sich mittlerweile auf dem tiefsten Stand seit Anfang der 1990er Jahre (Abb. 11 (b)). Wie erklärt sich das Verschwinden der Krisensorgen?

Es gibt letztlich einen entscheidenden Grund für die ausgeprägte Sorglosigkeit auf den Finanzmärkten: Die Zentralbanken haben de facto ein "Sicherheitsnetz" unter den Finanzmärkten gespannt. Ihre Politiken der letzten Jahre haben die Marktakteure veranlasst zu vermuten, dass die Geldpolitiker die Konjunkturen und Finanzmärkte auch in einem neuerlichen Notfall "retten" werden - und dass es daher eine Kredit- beziehungsweise Zahlungsausfallkrise wie in 2008/2009 nicht mehr geben wird. Die Auffassung, dass die Risiken "im Griff" sind, senkt die Marktzinsen und die Risikoprämien künstlich ab und treibt die Konjunkturen und Finanzmarktpreise zusätzlich an.


Box 7: Bankkredite wachsen, Ausfallraten noch niedrig

Ein Blick auf die US-Bankenbilanzen zeigt, dass der Zuwachs der Kreditbestände sich seit etwa Mitte 2014 verlangsamt hat (Abb. 12 (a)). Haben die Geldhäuser begonnen, den Kredithahn zuzudrehen? Vermutlich nicht. Sie scheinen vielmehr Teile ihrer Kreditbestände ausgelagert zu haben an "Nicht-Banken", um ihre Bilanzen zu entlasten und Eigenkapitalkosten zu verringern. Darauf könnten die steigenden Bilanzvolumina der Investmentfonds hindeuten (Abb. 12 (b)). Investmentfonds halten jedoch in der Regel kein Eigenkapital vor, so dass eine solche Verlagerung eine steigende Kreditmenge auf einem unverändertem Eigenkapitalpolster türmt. Die Krisenanfälligkeit des Kreditsystems insgesamt nimmt dadurch zu.

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Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen. (1) Einschließlich Aktieninvestments


Die Kreditausfallraten sind nach wie vor recht niedrig (Abb. 13 (a)). Dies ist sicherlich auch eine Folge der Niedrigzinsen der letzten Jahre. Solange die Kreditsorgen und -ausfälle begrenzt sind, wird das Kreditangebot steigen und die Verlagerung von Kreditrisiken aus dem Bankensektor in die Bilanzen von Nichtbanken vermutlich weitergehen - und die Risiken für das Kreditsystem insgesamt werden tendenziell zunehmen. Im Euroraum und in Japan nehmen die Wachstumsrate der Bankkredite seit geraumer wieder zu - und das deutet an (bei anhaltend niedrigen Kreditzinsen), dass die Banken in der Lage und willens sind, eine erhöhte Kreditnachfrage problemlos zu bedienen.

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Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen. (1) In Prozent des Bestandes. Bei Ratenkrediten: 120 Tage im Verzug; bei Kontokorrentkrediten: 180 Tage im Verzug.



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