Der Ikarus-Aufschwung dauert an, die Abwärtsrisiken steigen
18.01.2019 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Rückblick auf unsere PreiseinschätzungenDie nachstehende Tabelle zeigt die von uns im Januar 2018 geschätzten Bandbreiten für die Edelmetallpreise sowie zwei Abweichungsmaße: (1) den Jahresendpreis gegenüber dem geschätzten Jahresdurchschnittspreis sowie (2) den durchschnittlichen Jahrespreis gegenüber dem geschätzten Jahresdurchschnittspreis. Es offenbaren sich (leider) erhebliche Schätzfehler. Beispielsweise zeigt sich, dass wir den Goldpreis um 5,4 Prozent beziehungsweise 6,8 Prozent überschätzt haben. Bei Platin, Silber und Palladium waren die Abweichungen noch ausgeprägter.
Legende: Geschätzte Preise vom Januar 2018. (1) Abweichung des Jahresendstandes gegenüber dem Durchschnitt der geschätzten Preise. (2) Abweichung des Jahresdurchschnitts gegenüber dem geschätzten Jahresdurchschnitt.
Was lässt sich daraus lernen? Es liegt nun nahe, die Möglichkeit, verlässliche Prognosen abzugeben, generell in Frage zu stellen. Und in der Tat muss man eingestehen, dass es äußerst schwierig ist, den Verlauf der Edelmetallpreise vorherzusehen. Das liegt vor allem (auch) daran, dass es für Edelmetalle keine verlässliche "Bewertungsformel" gibt, wie sie prinzipiell im Bereich der Aktien und Anleihen verfügbar ist - denn Edelmetalle haben keinen laufenden Ertrag ("Cash Flow"), auf dessen Grundlage man (innerhalb gewisser Bandbreiten) einen "fairen Wert" ableiten könnte.
Allerdings ist auch eine alternative (und etwas tröstliche) Erklärung von fehlgeschlagenen Prognosen verfügbar. Sie lautet: In der kurzen bis mittleren Frist (also für den Zeitraum von ein bis zwei Jahren) sind die Preisverläufe der Edelmetalle ganz besonders schwierig einzuschätzen. Langfristig hingegen (also für Zeiträume von mehr als drei oder fünf Jahren) dürfte sich die Prognostizierbarkeit tendenziell verbessern. Auf die Langfristigkeit zu setzen, das mag also dann doch ein hinreichend belastbarer und praktikabler Prognose- und Anlagegrundsatz sein.
Blick nach vorn
Ein Weg, um sich Aufschluss über die künftig mögliche Preisbewegung zu verschaffen, besteht darin, den Langfristzusammenhang zwischen dem Goldpreis und volkwirtschaftlichen Größen (wie zum Beispiel Geldmenge und Zins) zu erkunden und auf dieser Basis Über- oder Unterbewertungen zu identifizieren. Das Ergebnis eines solchen Versuchs zeigt Abb. 7 a. Danach liegt der aktuelle Goldpreis von etwa 1.290 USD/oz unter dem "fairen Wert" von ungefähr 1.460 USD/oz, erscheint also nach wie vor relativ günstig zu sein. Abb. 7 b zeigt die ermittelte Abweichung in US-Dollar pro Feinunze.
Wie einleitend bereits erläutert, haben sich erhebliche Risiken in der internationalen Geld- und Kreditarchitektur aufgebaut. Darüber sollte auch der wahrscheinliche Fortgang der konjunkturellen Aufwärtsbewegung in 2019 - auch wenn er sich gegenüber dem Vorjahr hier und da abschwächen sollte - nicht hinwegtäuschen. Der risikobewusste Anleger ist daher gut beraten, einen Teil seiner liquiden Mittel in der "Währung Gold" (und auch Silber) zu halten - weil der Preis des Goldes nach wie vor relativ günstig ist.
Gold ist als eine Versicherung mit Wertsteigerungspotential einzustufen. Gold "vorausschauend" im eigenen Portfolio zu halten - am besten in physischer Form -, empfiehlt sich in einer Zeit, in der der "Ikarus-Aufschwung" wahrscheinlich noch etwas weitergeht: denn ungeachtet dessen steigen die Abwärtsrisiken, und es lässt sich nun einmal zeitlich nicht verlässlich bestimmen, wann die nächste Krise ausbricht.
Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen. (1) Geschätzt für die Zeitperiode Januar 1972 bis November 2018 auf Basis der US-Geldmenge, dem realen US-Notenbankzins und einer Kreditprämie. Graue Fläche: Standardfehler. (2) Liegt die braune Linie über (unter) der Nulllinie, ist der Goldpreis teuer (billig).
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH
Siehe hierzu auch Degussa Marktreport, Die Weltwirtschaft 2018: Der Ikarus-Aufschwing geht weiter, 18. Januar 2018.